Genealogie - Heimatseite

Genealogie - Heimatseite
Genealogie - Heimatseite
Direkt zum Seiteninhalt
Abgeschaffte Kirchenbußen
Der Pfarrer und Dechant in Kappel (bei Ferlach), Stephan Singer, gewährt in seinem Buch "Kultur- und Kirchengeschichte des Jauntales - Dekanat Eberndorf" einen Einblick in die strengen Sitten, wie sie um 1700 gültig waren, und damit auch in Teilbereiche der damals verbreiteten Rechtssprechung dieser Region.   

Anmerkung: Schreibweise nach dem Original. Eigene Beifügungen sind in Klammern und kursiv gesetzt.
(Seite 139)

c) Abgeschaffte Kirchenbußen

War das kirchliche Leben voll katholischer Aktion, so war die Moral und das eheliche Leben des Jauntales vor 200 Jahren auf einer viel höheren Stufe als heutzutage. Sehr selten waren uneheliche Geburten. Für Vergehungen gegen die sittliche Reinheit waren öffentliche Kirchenstrafen in Übung. Bei jeder Pfarrkirche war ein »cipus« - Schandpfahl - in der Nähe der Kirchenpforte aufgestellt. Die Ehebrecher, fornicator oder fornicatrix, mußten während des Sonntagsgottesdienstes an demselben stehen. In Eisenkappel hielt ein solcher in einer Hand die ausgelöschte, nach unten gewendete Kerze. Beim Rückfall erfolgte die Ausweisung aus der Pfarre.

Die Ehebrecher beiderlei Geschlechter mußten außer der öffentlichen Buße beim Schandpfahl »supra ossa aut in cruce« (Totenknochen oder Kreuz) noch überdies eine Geldstrafe von ca. 10 Imperiale (Taler) zahlen, die im Wiederholungsfällen verdoppelt wurde. Den gleichen Strafen verfielen jene »complices«, die sich in Nachbarpfarren flüchteten, um der Kirchenbuße zu entgehen (Synodalbeschluß 1709).

Auch wurden die Hausherren bestraft, die wissentlich complices in Häusern Unterkunft boten.

Auf der Synode des Jahres 1709 wurde in Eberndorf die Schandstrafe beim »cipus« in Geldstrafe umgewandelt, so daß sich der Büßer durch 1 Fl oder 2 oder 3 Pfund Wachs für die Kirche loskaufen konnte.

Eine Mutter, welche unabsichtlich ein Kind im Bette erdrückte, mußte an drei Sonn- oder Festtagen am Grabe des Kindes knien, in der Hand die ausgelöschte Kerze haltend.


(Seite 140)

Auch mußte sie der Kirche Wachs oder ein Altartuch spenden. Noch jetzt lebt im Volke die Erinnerung, daß uneheliche Mütter mit der Wiege vor dem Kircheneingange knien mußten.

Die Aufstellung des »cipus« verlangte der Visitator noch im Anfang des XVIII. Jahrhundertes bei der Marienkirche am Berg in Eberndorf.

Aus Stephan SINGER "Kultur- und Kirchengeschichte des Jauntales - Dekanat Eberndorf";
"Im Selbstverlage des Verfassers", Kappel 1938,  S. 139 - 140
Letzte Aktualisierung: 7.8.2022
Zurück zum Seiteninhalt