Rechtsdenkmäler in Kärnten
Wie war das früher überhaupt mit Recht und Gesetz, und ganz im speziellen in Kärnten? Der eine oder andere denkt vielleicht darüber nach, gibt es aber nach kurzer Zeit wieder auf, weil es kaum Zeugnisse oder Quellen gibt. Nicht so der ehemalige Mitarbeiter der Kelag-Regionalleitung von Villach, Maximilian Messner.
Im "Jahrbuch der Kelag", Ausgabe 1997, hat er in eine interessante Arbeit veröffentlicht, die Einblicke in die Epochen gewährt, in denen es "in Kärnten - wie auch sonst überall - noch keine einheitliche Rechtslage" gab.
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"Oh Richter, richte recht ..."
Rechtsdenkmäler in Kärnten
Kärntens versunkenes Antlitz tritt uns in den verschiedensten
Bildern entgegen, manchesmal wie ein heller Strahl aus längst
versunkenen Zeiten, manchesmal düster und unheimlich
wie aus dem Reich der Schatten.
Blicke in längst vergangene Zeiten
Rechtsdenkmäler sind Zeitzeugen aus der Geschichte des Rechtes. Die internationale Charta von Venedig sagt allgemein und legt fest: "Das Denkmal ist untrennbar mit der Geschichte verbunden, von der es Zeugnis ablegt, sowie mit der Umgebung, zu der es gehört".
Die ältesten in Kärnten erhaltenen Rechtsdenkmäler - Herzogstuhl und Fürstenstein - stammen aus dem Frühmittelalter, der Zeit zwischen der beginnenden Völkerwanderung (5. Jh. n. Chr.) bis 1000 n. Chr.. Aus dem Hochmittelalter, der Zeit zwischen 1000 und 1300, stammt der Gerichtsbrunnen ob Ranitz bei Gurk. Auch die Falltürme weisen in das Hochmittelalter zurück. Sie wurden aber auch noch im Spätmittelalter gebaut, der Zeit von 1300 bis 1500. Die meisten Kärntner Rechtsdenkmäler stammen aus der Neuzeit, der Zeit nach 1500.
Der Rechtshistoriker sagt auch, Rechtsdenkmäler sind Orientierungspunkte oder Fixpunkte der Rechtsgeschichte. Oft fehlen schriftliche Quellen und dann helfen die steinernen Zeugen oder Bilder über Lücken hinweg. Aber nicht nur Steine und Bilder, auch Bäume wie die altehrwürdigen Linden sind Rechtsdenkmäler.
Recht und Gesetz in Kärnten
Jahrhundertelang gab es in Kärnten - wie auch überall sonst - keine einheitliche Rechtslage. Dazu ein Beispiel: Ledige Kinder waren der eindeutige Beweis für das vollbrachte "Verbrechen der Unzucht". Aber diese "Verbrecherinnen" wurden in den verschiedenen Gebieten Kärntens oft sehr unterschiedlich bestraft. So berichtet ein Protokoll vom Jahre 1711 aus St. Paul im Lavanttal von einer Frau, die schon das dritte ledige Kind zur Welt gebracht hat. Die Frau mußte eine Viertelstunde mit einer Strohkrone auf dem Pranger sitzen und wurde hernach vom Gerichtsdiener aus dem Markt geführt. Eine relativ milde Strafe also.
Aus dem Landgericht Gmünd ist überliefert, daß wegen der gleichen "Verbrechen" die Delinquentin eine Stunde lang am Pranger angekettet stehen mußte. Vorher aber hatte der Gerichtsdiener die Delinquentin
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noch genau auf die Anzahl ihrer Unterkittel zu überprüfen. Am Pranger bekam sie dann Prügel, daß sie vor Schmerzen schrie. Wegen der Schmerzensschreie wurde der Pranger von Gmünd auch die "Schreiat" genannt.
So traurig das heute auch klingen mag: Die Prangerstrafen und Schaustellungen am Pranger waren eine Volksbelustigung und die Prügel an der "Schreiat" begleitete großer Beifall der Volksmenge. Prangerstrafen wurden meist verhängt wegen Unsittlichkeit, Maß- und Gewichtsvergehen, Gotteslästerung, z.B. Fluchen, geringen Diebstahls, Trunkenheit oder Raufhändel. Prangerstrafen hatten vor allem Schandcharakter.
Für welches Delikt welche Strafe?
Beim Betrachten alter Rechtsdenkmäler stellt sich auch die Frage, nach welchem Recht und welchem Gesetz dereinst geurteilt und gerichtet worden ist, für welche Delikte welche Strafen verhängt worden sind. Grundlagen der mittelalterlichen Rechtsordnung sind Religion, Sitte, Brauch, altes Herkommen, Privilegien und autonome Satzungen. Erst zu Beginn der Neuzeit tritt an die Stelle des ungeschriebenen Gewohnheitsrechtes das geschriebene, "gesetzte" Recht. Während das Gewohnheitsrecht auf germanischer Rechtsauffassung beruht, greift das geschriebene Recht auf die römische Rechtsordnung zurück.
Verbrechen und Lebensstrafen
Als todeswürdige Verbrechen galten in früheren Jahrhunderten Mord, Giftmord, Ehebruch, Brandstiftung, Betrügerei bei Ausnützung des Volksaberglaubens, Einbruch, Raub, schwerer Diebstahl, Kirchendiebstahl, Hostienschändung, Unzucht wider die Natur, Notzucht, Hexerei, Zauberei, Hochverrat und Landfriedensbruch.
Straftypen für Lebensstrafen waren: Enthaupten, Hängen, Rädern, Ertränken, Verbrennen, Steinigen, Vierteilen, Ausdärmen, Pfählen, lebendig Begraben, Tod im Fallturm, Hinabstoßen über eine Felswand. Welche Strafe genau für welche Tat verhängt wurde, läßt sich aber nicht einheitlich beantworten. Sie war abhängig von der Schwere der Tat, sie war abhängig von dem Gebiet, wo diese Tat geschah, und sie war auch abhängig vom Stand und vom Personalitätsprinzip.
Aus Villach ist aus dem Jahre 1495 folgendes Urteil überliefert: "Bekannt werde es der Nachkommenschaft, daß Bruder Anselm, Koch im Minoritenkloster, wegen Vergiftung des Paters Erasmus zum Tode der Einmauerung bei lebendigem Leib verdammt worden ist". Ein Altartuch in den Mund, die Hände auf dem Rücken gefesselt, eine Pergamentrolle in das Gewand geschoben - so wurde Bruder Anselm in die Mauernische gedrängt, die sogleich geschlossen wurde.
Dieses Urteil aus Villach besagt aber nicht, daß jeder Giftmord mit dem Tod durch Einmauerung bei lebendigem Leib bestraft wurde.
Urteile waren auch von der persönlichen Strenge oder Milde des Richters abhängig. je nach Tatbild konnten für die oben angeführten Verbrechen auch Leibesoder Kerkerstrafen verhängt werden. Leibesstrafen bestanden im Abschneiden oder Abhacken von Körperteilen, wie Nase, Ohren, Hände und Zunge oder Ausstechen der Augen. Die Kerkerstrafen mußten im Turm, dem berüchtigten Burgverlies, oder bei schwerer Bergwerksarbeit abgebüßt werden.
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Geld ersetzt Strafe
Wie ein roter Faden zog sich durch die Jahrhunderte und Rechtskreise die Ablösbarkeit aller Strafen durch Geld. Wer reich war, der konnte sich sogar von der Todesstrafe freikaufen. Der Willkür waren Tür und Tor geöffnet. Im Mittelalter wurden Stadtrichter nicht besoldet, sondern sie bezogen ihre Einkünfte aus den Prozeßgeldern und einem Anteil an den Gerichtsbußen. Daher waren Richter oft bestechlich.
Die soziale Abschließung des Adels wiederum bewirkte eine eigene Rechtsgestaltung für die oberen Stände. Dazu kam noch der Grundsatz der "Ebenburt", kein Untergenosse durfte über einen Übergenossen richten.
Das Landrecht
Strafrechtliche Normen enthielt erstmals die Kärntner Landesordnung von 1338. Dieses Landrecht regelte landesfürstliche und landständische Gewalt und war die verbindliche Ordnung für den Einzelnen, für die Stände und den Landesherren.
Rechtsverletzung galt im Mittelalter als Erschütterung des Gleichgewichtes in der Natur, darum wurden Vergeltungsstrafen verhängt. Urteile wurden meist nach kurzem Prozeß gefällt. Im Zweifelsfall, wenn eindeutige Beweise fehlten und die Zeugen versagten, kam es zum Gottesurteil.
Zur Grundlage der Herrschaft des Landesfürsten zählte im Mittelalter u. a. der Gerichtsbann. Als Träger landständischer Gewalt übten Landherren auf ihren Gütern, ebenso später die Städte im Bereich des Stadtburgfrieds, die Hochgerichtsbarkeit (Blutbann) aus. Das Durchsetzen von Rechtsvorschriften endete oftmals an der Herrschaftsgrenze. Die Gerichtsbarkeit war jahrhundertelang eher als "Hausgewalt" des betreffenden Grundherrn zu verstehen. Das Strafsystem war prinzipiell von einem Äquivalenten für die begangene Tat bestimmt. Die äußerst grausamen Strafen sollten vor allem abschreckend wirken.
Der Bannrichter
Ende des 15. Jahrhunderts tauchte in Kärnten der Landrichter auf, Erhart Slaphart wurde 1494 mit Acht und Bann ausgestattet und war direkt dem Landeshauptmann unterstellt. Das Bannrichteramt war ein Wandergericht für Kriminalfälle, das die Strafprozesse durchzuführen hatte; es diente somit auch einer einheitlichen Rechtspflege. Dem Amt gehörten an: der Bannrichter, Ankläger und Urteilssprecher, ein oder mehrere Malefizredner oder Prokuratoren (Verteidiger), ein Gerichtsschreiber und ein Züchtiger (oder Besserer, Freimann, Henker), außerdem noch 7 bis 12 Beisitzer. Landeshauptmann Graf Khevenhüller verfaßte 1585 eine Ordnung und Instruktion für Bannrichter. Das Bannrichteramt hatte bis ins 18. Jahrhundert seinen Sitz in St. Veit/Glan und bestand bis 1807.
Unfreie und privilegierte Landgerichte
Freie oder privilegierte Landgerichte hatten eigene Bannrichter, z. B. die Ortenburgischen oder Dietrichsteinischen Landgerichte. Diese Landgerichte und privilegierten Stadtgerichte hatten die Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit. Nur diese durften die Todesstrafe, schwere Körperstrafen oder langjährigen bis lebenslangen Kerker verhängen. Ein Kriterium für die sachliche Zuständigkeit der Landgerichte war die "effusio sanguinis", das Ausfließen von Blut. Auf Verlangen der unfreien Landgerichte sowie Stadt- und
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Marktgerichte wurde der Bannrichter vom Landeshauptmann dorthin entsandt.
Kaiser Maximilian I. erlaubte den Gerichten 1518, daß alle Malefizhändel nicht mehr an eine förmliche Klage seitens des Geschädigten und die althergebrachte Beweisführung durch Rede und Gegenrede gebunden seien. Nun konnten sie ohne Klage landschädliche Leute ergreifen und die Strafe aufgrund des Bekenntnisses des Verdächtigen bei der Untersuchung - mit oder ohne Tortur - in geheimer Sitzung verlangen und diese auch vollziehen.
Peinliche Halsgerichtsordnung
Strafprozesse waren nicht einheitlich geregelt, vor allem weil die Bestimmungen über das Verfahren in Kriminalprozessen sehr mangelhaft waren. Grundlage für die Prozesse bildete die peinliche Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Carolina) Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1532. Auch die 1577 erlassene Landesgerichts- oder Polizeiordnung für Kärnten von Erzherzog Karl von Innerösterreich hielt sich diesbezüglich sehr knapp.
So entstand ein Gewohnheitsrecht für Kriminalsachen auf Grundlage der Halsgerichtsordnung. Allerdings schärfte die Polizeiordnung von 1577 den Obrigkeiten ein, keine Zauberei, Wahrsagerei und dergleichen in Kärnten zu dulden, sondern sie auszurotten und gegen verdächtige Personen und auch solche, die sie besuchen, mit Strafe zu verfahren.
Malefizrecht
Das Malefizrecht wurde in Städten auf dem Wochenmarkt öffentlich ausgerufen, am Land an einem Feiertag nach dem Gottesdienst verkündet.
Das Malefizrecht fand in einem mit Schranken umgebenen Raum auf einem öffentlichen Platz statt und wurde vom Landrichter eröffnet. Dieser ergriff den Stab und überreichte ihn dem Bannrichter. Nur dieser hatte vom Landeshauptmann das Recht, über Menschenblut zu richten. Der Bannrichter nahm den Stab in seine Rechte und ein bloßes Schwert in seine Linke und fragte, ob das Malefizrecht zur peinlichen Frage nicht unter elf Urteilern besetzt sei. Dann ließ er fragen, wer in Malefizrechten zu fragen habe. Sodann ergriff der Ankläger das Wort, ließ den Täter vorführen und durch den Gerichtsschreiber dessen Bekenntnis vorlesen. Der Bannrichter fragte den Täter bei jedem Punkt, ob er geständig sei. Leugnete der Täter, so wurde er durch die sieben anwesenden Zeugen überführt. Leugnete der Täter weiter, wurde er neuerlich zur Tortur geführt. Die Urteiler konnten sich noch einmal beraten. Schließlich vollzog der Züchtiger die Strafe. Der Richttag wurde dem Malefikanten drei Tage vorher mitgeteilt. In dieser Zeit konnte er seine Sünden bereuen und die Sakramente empfangen.
Maria Theresianische Rechtsreform
Bereits unter Kaiser Karl Vl. wurde mit der Reform des Rechtswesens begonnen. Auch Maria Theresia trat dafür ein, die Rechtsverschiedenheiten in ihren Ländern zu beseitigen. Recht und Rechtsverfahren sollten gleich werden. Durch die Trennung der obersten Justizstelle von der Verwaltung wurde 1749 die Rechtsreform in den österreichischen und böhmischen Ländern eingeleitet. Eine Kommission nahm 1753 die Reformtätigkeit auf und begann den Codex Theresianus (Zivilgesetzbuch) (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, ABGB) umzuarbeiten.
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Am 1. Jänner 1770 wurde die neue Strafgerichtsordnung, Constitutio Criminalis Theresiana, eingeführt. Die Halsgerichtsordnung sah zwar noch strenge Strafen vor, aber erstmals wurden kriminelle Taten von politischem Unrecht getrennt.
Auf Antrag des aufgeklärten Staatsrates Joseph von Sonnenfels wurden 1776 die Tortur (Folter) abgeschafft und die Todesstrafe eingeschränkt.
cand. jur. Maximilian Messner
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Eine Zeitreise durch unser Land
Rechtsdenkmäler öffnen uns ein Tor zu Kärntens bewegter
Vergangenheit. Fürstenstein und Herzogstuhl diese beiden
Prunkbeispiele von Rechtsdenkmälern, sind wohl jedem
Kärntner ein Begriff. Darüber hinaus gibt es aber noch eine
Vielzahl weiterer Rechtsdenkmäler, die nur wenig bekannt,
aber ebenfalls bedeutungsvoll sind
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Die Falltürme von Frauenstein und Rechberg
Zu den ältesten Rechtsdenkmälern in Kärnten gehören die Falltürme. Sie hatten einen von der Spitze bis tief in den Keller durchgehenden Schacht. Die zum Tode verurteilten Delinquenten wurden auf die oberste Stelle des Turmes gebracht und hingerichtet, indem man sie in den Schacht hinunterstieß.
Der Fallturm auf Schloß Frauenstein bei St. Veit/Glan stammt aus dem Hochmittelalter. Er ist das älteste Bauelement des Schlosses.
Kommende Rechberg, 2021
Kommende und Pfarre St. Bartholomäus in Rechberg, Blickrichtung Süden; Foto G. Harisch, 2021
Auch der Fallturm der Kommende Rechberg ist noch zu sehen. Er reicht bis an das Dach der Kommende (so nannte man kirchliche Pfründe ohne Amtsverpflichtung).
Die Gerichtsherren am Rechberg aber hatten noch eine besondere Idee. Auf dem Grund des Schachtes waren Messer montiert. Wurde nun ein zum Tode verurteilter Verbrecher hinuntergestoßen, setzten sich die Messer in Bewegung und zerstückelten ihn.
Die mächtigen Messer im tiefen Schachtgrund, die hat niemand mehr gesehen. Der Überlieferung nach sollen sie sich aber noch heute am Grunde des Schachtes befinden. Man hat wohl bald nach der Aufhebung dieser besonders grausamen Art der Hinrichtung begonnen, den Schacht zuzuschütten.
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Kärntner Dorflinden
Altehrwürdig wie die Sakralbauten sind auch die Dorflinden. Sie sind hunderte Jahre alt und wurden schon bei der Gründung einer Dorfgemeinde gepflanzt. Die Linde entwickelte sich früh zu einem Symbol der Selbstverwaltung, sie wurde zum Dorfzentrum. Versammlungen, Gerichtsbarkeit, aber auch Festlichkeiten wurden unter der Linde abgehalten.
Seit dem Mittelalter gab es innerhalb der Grundherrschaft bäuerliche Versammlungen, die "Dorfgemeinde" war mit Verwaltungs- und Gerichtskompetenz ausgestattet. Die Versammlungen nannte man "Banntaiding". Das bei diesen Versammlungen gesetzte oder gewiesene Reicht waren die "Weistümer".
Der Baumkult selbst wurzelt tiefer und reicht in die Zeit zurück, als die indogermanischen Völker noch Baum- und Naturgottheiten verehrt haben. Der Tanz unter der Linde ist als rituelle Verehrung der freundlichen Gottheit des Wachstums und der Fruchtbarkeit zu deuten. Mit der Verbreitung des Christentums verschwanden diese alten Riten. Dafür aber entstanden neue Gewohnheiten und Gebräuche.
Trotz drückender Zehentlasten und Einschränkungen durch die Grundherrschaft fühlten sich die Bauern wegen der ihrer Dorfgemeinschaft übertragenen Rechte als freie und unabhängige Bauern. Die Dorflinde galt wie die Gründungsurkunde ihrer Dorfgemeinschaft als ein Freiheitssymbol. Bei Festlichkeiten gaben die Bauern der Freude über ihre Dorffreiheiten Ausdruck und sie tanzten den "Freiheitstanz unter dem Freiheitsbaum".
Im Zeitalter des Absolutismus gerieten diese alten Dorfrechte aber immer mehr unter unmittelbaren herrschaftlich-staatlichen Einfluß. Erst am 17. März 1849 erging das "Provisorische Gemeindegesetz" mit dem Leitsatz. "Die Grundfeste des Staates ist die freie Gemeinde". So hat sich die Gemeinde als staatstragendes Element
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erst langsam herausgebildet. Die Gemeindegrenzen aber reichen an manchen Orten bis in das Mittelalter zurück.
Der Tanz unter der Linde wird in vielen Dörfern Kärntens heute noch aufgeführt. Der Lindentanz ist eine alte Rechtssymbolik, welche Selbstverwaltung und persönliche Freiheit manifestiert. Der Ursprung dieses Tanzes ist weitgehend vergessen, denn fragt man heute die Burschen und Mädchen, was der Tanz unter der Linde eigentlich bedeute, dann wissen sie keine rechte Antwort darauf und sagen: "Das ist ein alter Brauch und wir tanzen, weil es uns Freude macht". Dieser Tanz will daran erinnern und sagen: "Die Rechte und Freiheiten, die wir heute besitzen, die wuchsen so langsam und wurzeln so tief wie die Dorflinden in Kärnten".
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Der Hungerturm von Bad Eisenkappel
In einer Enge des Vellachtales, in der sogenannten Tabora, steht rechts neben der Straße nach Bad Eisenkappel ein Turm. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, eine Transformatorstation der Kelag mit der Bezeichnung: 8/66 Eisenkappel-Pulverturm. Was den Bau betrifft, ist dies die älteste Transformatorstation der Kelag. Im Volksmund aber wird dieser unter Denkmalschutz stehende Turm "Hungerturm" genannt. Gebaut wurde er um die Wende des 16. Jahrhunderts, als Kappel ein eigenes Landgericht erhielt.
Die zum Tode Verurteilten wurden bis zu ihrer Hinrichtung in diesen Turm gesperrt, wo es für sie auch kein Essen mehr gab, daher der Name "Hungerturm". Am Tage der Hinrichtung wurden die Delinquenten auf den gegenüberliegenden Galgenhügel geführt. In Eisenkappel gab es auf dem Weg zum Galgen zwar kein Armesünderkreuz, wo die Verurteilten noch eine letzte Andacht zu Gott verrichten durften. Dafür aber war der Galgen so gebaut, daß die Verurteilten vom Galgen aus die Kirche in Rechberg sehen konnten.
Hungerturm von Bad Eisenkappel, 2004
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Turm nach Abschaffung der Todesstrafe nicht mehr als Gefängnis verwendet wurde, lagerte man darin Pulver für den Bergbau. Daher auch die spätere Bezeichnung "Pulverturm".
Der Felsen, auf welchem der Turm steht, stand dereinst mitten in der Vellach und war nur über eine hölzerne Brücke, der "Hochgerichtsbrücke", erreichbar. Um die Jahrhundertwende wurden die hölzerne Hochgerichtsbrücke abgetragen und der Graben zwischen Straße und Hungerturm zugeschüttet, um die Straße zu verbreitern. Der alte Name der Brücke übertrug sich auf die neue, die nördlich des Hungerturms über die Vellach führt.
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Der Räuberstein in Klagenfurt
Eine Besonderheit unter den Gerichtsbezirksteinen von Kärnten findet man im Süden der Stadt Klagenfurt, in der Quellenstraße Nr. 10. Sie bezeichnete die einstige Grenze zwischen dem Stadtburgfried Klagenfurt und dem Landgericht Hollenburg (siehe: "Stadt-Burgfried-Bereitung").
Es handelt sich dabei um eine eher unscheinbare Steinplatte mit einem Durchmesser von rund 1 m und einer Höhe von 40 cm. In die obere Fläche dieser Platte sind ein Markzeichen und in gotischen Ziffern die Jahreszahl 1556 eingemeißelt. In der Mitte des Steines ist ein schwerer Eisenring befestigt. Seit alters her wird dieser Burgfriedstein im Volksmund "der Räuberstein" genannt und die Straße, die an diesem Stein vorbeiführt, hieß früher Räuberstraße.
Alte Überlieferungen berichten, daß am Eisenring dieses Steines die Verbrecher angekettet wurden, bevor sie vom Pfleger der Hollenburg dem Stadtrichter von Klagenfurt übergeben wurden. So entstand der Name "Räuberstein".
Es gab in alten Zeiten Gegenden, die wegen des Räuberunwesens gefürchtet waren. Bekannt war der Wolschartwald bei St. Veit/Glan mit den berüchtigten "Wolscharträubern". Kaufleute, Marktfahrer, Bauern, niemand war vor dem Raubgesindel sicher. Wurde ein Räuber dingfest gemacht, dann sühnte er am Galgen seine Taten.
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Das Grafensteiner Richtkreuz
An manchen Orten in Kärnten bezeichnen Bildstöcke die alten Gerichtsbezirksgrenzen. Eines davon ist das Grafensteiner Richtkreuz, es steht in der Nähe des Gumischhofes.
Grafensteiner Richtkreuz, 2021
Eine Urkunde aus dem Jahre 1601 berichtet, daß hier die "Malefizpersonen", also die Misse- oder Übeltäter, vom Gericht Saager dem Landgericht Zoll - gemeint ist Maria Saal - überantwortet wurden. Das Gericht von Saager hatte zwar die hohe Gerichtsbarkeit, es durfte Todesurteile fällen, aber nicht vollstrecken. Daher mußten die Delinquenten zur Hinrichtung dem Landgericht Zoll überantwortet werden.
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Justitia in Kärnten
Justitia, die schöne Frau mit Schwert und Waage, das Symbol für Recht und Gerechtigkeit, trifft man an vielen Orten in Kärnten. Auch auf alten Rathäusern ist sie zu sehen, dort erinnert sie an die Zeit, als Rathäuser zugleich auch Gerichtsgebäude waren. Die heutigen Gerichtsstrukturen und die meisten Gerichtsgebäude im heutigen Sinne entstanden erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Besonders eindrucksvoll gestaltet ist Justitia an der Außenfassade des Rathauses von St. Veit/Glan. Diese Fassade ist eine spätbarocke Umgestaltung, welche von den beiden Künstlern Max Josef Pittner und Johann Pacher in den Jahren 1754/55 geschaffen wurde. Zu Füßen der Justitia steht auf einer Eisengußtafel ein Spruch aus dem Sachsenspiegel, dem Gesetzbuch des Mittelalters:
"Ains mans red ein halbe red.
Man sol sy verhoren bed".
Es ist dies der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der heute in allen modernen Rechtsordnungen Eingang gefunden hat. Das rechtliche Gehör ist jener Grundsatz, der besagt, daß jede Person, die durch eine gerichtliche Entscheidung in ihren Rechten betroffen werden kann, berechtigt ist, sich in diesem Verfahren mündlich oder schriftlich zu äußern. Das klingt selbstverständlich, aber es gab auch Rechtsordnungen, wo der Beschuldigte sein Urteil in der Kerkerzelle vorgelesen bekam, ohne jemals die Möglichkeit erhalten zu haben, sich über die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen zu äußern.
Ein sehr schönes Fresko von Justitia findet man an der Fassade des alten Rathauses von Klagenfurt. Dieses schuf kein Geringerer als der berühmte Barockmaler Josef Ferdinand Fromiller; fast scheint es, als wache Justitia heute noch mit Schwert und Waage über das Marktgeschehen auf dem Alten Platz zu Klagenfurt.
Auf dem Rathaus von Friesach findet man Justitia in einem hübschen Stuckrelief dargestellt. Eine eigenartige Justitia befindet sich im Hof des Schlosses Porcia in Spittal an der Drau. Hier hat Justitia den rechten Fuß auf einen männlichen Kopf gestellt.
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Deckenspiegel eine Justitia mit Schwert und Waage. Sie ist in perspektivisch hervorragender Scheinarchitektur dargestellt. Im großen Wappensaal repräsentiert Justitia die Gerechtigkeit als eine der vier Kardinal- oder Herrschertugenden. Die anderen drei sind die Weisheit, die Tapferkeit und die Mäßigkeit.
Die älteste Justitia von Kärnten befindet sich im Schloß Wolfsberg, auf einer Gedenktafel aus dem Jahre 1581 im Schloßhof. Justitia ist darauf als Karyatide ausgebildet (so nennt man in der Baukunst eine Stütze in Form einer weiblichen Figur). Diese Justitia dürfte auch die älteste figurale Justitiadarstellung Österreichs sein.
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Bethäuser
Rechtsdenkmäler müssen nicht immer nur Zeugen menschlicher Grausamkeiten sein, sie können auch Zeugen menschlicher Größe sein. Gemeint sind hier die Toleranzbethäuser in Kärnten. Sie erinnern als Rechtsdenkmäler an den aufgeklärten Kaiser Josef II. und sein Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781. Die evangelische Lehre und ihre Anhänger waren seit dem 16. Jahrhundert Verfolgungen, Vertreibungen und Demütigungen ausgesetzt. Daher breitete sich auch in Kärnten ein Geheimprotestantismus aus.
Erst Josef II., ein streng katholischer Herrscher, erlaubte den nichtkatholischen Konfessionen eine private Religionsausübung. Die Protestanten durften zwar keine Kirchen, wohl aber Bethäuser errichten. Diese Gebäude durften weder Turm noch Glocke und keinen Zugang von der Straße her haben.
Einige Toleranzbethäuser gibt es noch im Lande, wie z. B. in Fresach oder in Watschig. Das älteste Toleranzbethaus Kärntens wurde 1783 erbaut und steht in Einöde bei Villach.
Erst mit dem Protestantenpatent vom 8. April 1861 erfolgte die staatliche Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken. Seit damals war auch der Bau protestantischer Kirchen erlaubt. Unter einem Bildnis von Kaiser Joseph II. in der evangelischen Kirche von Bad Bleiberg ist zu lesen:
"Vergänglich ist dies Haus, doch Josephs Nachruhm nie. Ergab uns Toleranz, Unsterblichkeit gab sie."
Das Landhaus zu Klagenfurt
Ein schönes Rechtsdenkmal ist auch das Landhaus zu Klagenfurt, es erinnert an den "Gabbrief" Kaiser Maximilians I. von 1518. Der Gabbrief ist die Schenkungsurkunde,
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mit welcher der Kaiser den Kärntner Landständen die Stadt Klagenfurt in ihr erbliches Eigentum übergab.
Die Stände, die Kaiser Maximilian im Bauernaufstand treu zur Seite gestanden waren - zum Unterschied etwa von den St. Veiter Bürgern - erbaten sich vom Herrscher die in Trümmern liegende Stadt.
Kaiser Maximilian 1. erfüllte die Bitte der Landstände und schenkte ihnen Klagenfurt, was ein einmaliges verfassungsrechtliches Ereignis darstellte. Es gibt für keine deutsche Stadtgeschichte ein vergleichbares Beispiel. Der Gabbrief enthielt die Auflage, die Stadt wieder aufzubauen und wegen der Türkengefahr zu befestigen. Als äußeres Zeichen ihrer Macht und Stellung ließen sich die Stände zwischen 1574 und 1594 das Landhaus errichten, welches man als einzigartige landständische "Residenz" bezeichnen kann.
Die Kärntner Landstände schöpften aus diesem Bauwerk auch ihr politisches Selbstverständnis und ihre Kraft. So wurde Klagenfurt 1518 zur Landeshauptstadt von Kärnten und das Landhaus zu Klagenfurt ist - mit Unterbrechungen - bis heute das Symbol der politischen Selbständigkeit Kärntens geblieben.
Der Steinerne Fischer
Welcher Klagenfurter kennt ihn nicht, den Steineren Fischer? Diese wohl einmalige, volkstümliche Symbolfigur freier und laut Sage auch ein wenig betrügerischer Marktwirtschaft stand dereinst in einer Nische des Roßbacherschen Hauses auf dem Heiligengeistplatz, als Wahrzeichen des einst hier abgehaltenen Fischmarktes.
Mancherlei Sagen ranken sich um ihn. "Zu Stein soll ich werden, wenn ich falsch gewogen!", rief ein Fischer dereinst einem alten Weiblein zu, weil sich dieses wegen falscher Waage beschwerte. Und es erfüllten sich die frevlerischen Worte auf der Stelle. Vor den Augen der Marktleute wurde der Fischer zu Stein und harrt noch heute der Erlösung. Doch das ist eine Sage.
Der eigentliche Anlaß zur Entstehung dieses Steinbildes ist folgender: Fische vom Wörther See bildeten vormals ein Hauptnahrungsmittel der Klagenfurter und die Fischer trieben bald allerlei Unfug. Sie kamen spät auf den Markt und brachten nicht immer frische Fische. Daher verfügte die Obrigkeit, daß jeder Fischer im Sommer und im Winter, bei Regen wie bei Sonnenschein, ohne Mantel und ohne Hut auf dem Platz stehen und so lange bleiben müsse, bis er seine gesamte Ware verkauft hatte.
Nur wenige wissen, daß es sich beim Steinernen Fischer um ein Rechtsdenkmal besonderer Art handelt, nämlich um eine ständige Mahnung an die Fischer, ihre Ware, uraltem Marktrecht gemäß, stets frisch zu verkaufen. Nach heutigem Verständnis könnte man sagen, der Steinerne Fischer stellt eine Verordnung des Magistrates dar. Originalität kennzeichnet das 1606 aufgestellte Denkmal. Es gilt als ein Werk köstlichen volkstümlichen Humors, weil der anonyme Bildhauer ihm eine für Standfiguren ungewöhnliche Beinstellung gab. Man beachte die Resignation, die aus der Haltung des Fischers und aus den Worten, welche in den Sockel gemeißelt sind, hervorgeht:
"so lang wil ich da bleiben stan,
pis mier meine Fisch und Khrebs abgan."
Lange Zeit stand der Steinerne Fischer im Hof des Rathauses von Klagenfurt. Seit 1988 steht er am Benediktiner Platz.
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Aus dem Jahrbuch der Kelag 1997, Maximilian MESSNER "Oh Richter, richte recht ..." - Rechtsdenkmäler in Kärnten;
Anmerkung: Schreibweise nach dem Original. Eigene Beifügungen sind in Klammern und kursiv gesetzt.
Letzte Aktualisierung: 12.12.2021